05.05.2024

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Offizielle Kontakte zwischen Bonn und Taipei

01.07.1992
Taiwan ist auf dem deutschen Markt äußerst erfolgreich und hofft, in Zukunft dort wie auch von da ausgehend in ganz Europa einen noch besseren Stand haben zu können sowie in einen intensivierten Technologietransfer eintreten zu können.
Nachdem bereits vor drei Jahren im Deutschen Bundestag unter der Leitung von Klaus Bühler (CDU) der "Parlamentarische Freundeskreis Bonn-Taipei", bestehend aus 127 Parlamentariern der SPD, FDP und der CDU/CSU, gegründet wurde, kam es am 13. Mai aufgrund einer Anhebung der Kontakte zwischen Deutschland und der Republik China zur Etablierung des hiesigen Pendants mit 75 KMT-, DPP- und unabhängigen Abgeordneten aus dem Legislativ-Yüan. Beide Häuser sind also mit jeweils einem Drittel ihrer Mitglieder beteiligt. Liu Sung-fan (劉松藩), Sprecher des Legislativ-Yüans, wurde zum Ehrenpräsidenten gewählt; als Präsident bestimmt wurde Wang Chi-hsiung (王志雄); Yu Ming-tsai (游明財) und Ting Shou-chung (丁守中) sind seine Stellvertreter, und Lin Chih-chia (林志嘉) fungiert als Generalsekretär.


Die Gründung des parlamentarischen Freundeskreises in Taiwan war eine Antwort auf die Einrichtung der deutschen Freundschaftsgruppe vor bereits drei Jahren. Diese ergab sich aus der Tatsache der vielen Deutschland-Besuche von Abgeordneten des Legislativ-Yüans, trotz Abwesenheit diplomatischer Beziehungen, und einer großen Zahl von Geschäftsleuten, die Investitionsmöglichkeiten suchten, was zu einer Überarbeitung der deutschen Politik gegenüber der Republik China führte. Die Förderung einer "Parlamentarischen Gruppe Bonn-Taipei" wurde von der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Rita Süßmuth, energisch unterstützt, und nach langen Gesprächen mit dem Außenminister Genscher wurde sie am 19. Februar 1991 als Organisation anerkannt, wobei ihr Name zu "Parlamentarischer Freundeskreis Bonn- Taipei" geändert wurde. Danach folgte der gegenseitige Besuch einer Delegation von Abgeordneten aus den gesetzgebenden Gremien des jeweiligen Landes. In Reaktion auf dieses Zeichen des guten Willens von deutscher Seite stimmten viele Abgeordnete des Legislativ-Yüans zu, die Beziehungen durch parlamentarische Diplomatie zu verbessern. Aufgrund dessen flog der jetzige Präsident des Freundeskreises seitens der Republik China, Wang Chi-hsiung, nach Deutschland, wo er sich bewußt wurde, daß auch auf Taiwan die Notwendigkeit eines ähnlichen Zusammenschlusses existierte. So begann nach seiner Rückkehr die Arbeit an der Etablierung des "Parlamentarischen Freundeskreises Taipei-Bonn", welche sowohl vom Sprecher des Legislativ-Yüans, Liu Sung-fan, als auch von Außenminister Fredrick Chien unterstützt wurde. Am 13. Mai dieses Jahres kam es dann zur offiziellen Gründung der Gruppe.

Anläßlich eines Empfangs zur Gründung des parlamentarischen Freundeskreises übermittelte neben Premierminister Hau Pei-tsun auch Präsident Lee Teng-hui eine Grußadresse, die vom Generalsekretär des Präsidenten, Y. S. Tsiang, verlesen wurde und in der er seine Glückwünsche aussprach sowie seine Überzeugung ausdrückte, daß durch die Kontakte zwischen den Abgeordneten beider Seiten und den freundlichen Austausch das Verständnis und die Freundschaft der beiden Völker erweitert werden können. Er sei sicher, daß dadurch ein aktiver Beitrag für die Entwicklung der Beziehungen der beiden Partner geleistet werde.

Liu Sung-fan verwies in seiner Ansprache besonders auf die zukünftige Rolle Europas in der Welt und erklärte, daß es in den Beziehungen der Republik China mit dem Ausland noch ein schwaches Glied sei. Er rief seine Landsleute dazu auf, Europa mehr Respekt und Beachtung zu schenken. Die Einrichtung des Freundeskreises sei von herausragender Bedeutung, da die Verbindung mit dem in der EG wirtschaftlich führenden Deutschland einer Entwicklung der Kontakte zum europäischen Binnenmarkt zuträglich sein könne. Taiwans wirtschaftliches Abschneiden in den letzten Jahren sei der Fokus vieler Länder, u. a. auch Deutschlands, geworden. Durch den Handel sei die Notwendigkeit einer Verbesserung der Beziehungen entstanden, und dies hätten auch die Deutschen gemerkt. Er sei der Meinung, daß in absehbarer Zukunft durch den gegenseitigen Austausch der Abgeordneten bei der Nationen das Verständnis und die Freundschaft zwischen den Völkern vertieft werden können.

Ohne eine politische Liberalisierung auf Taiwan wäre eine solche Anhebung der Kontakte von deutscher Seite aus nicht möglich gewesen. So wurden z. B. die Wahlen zur Nationalversammlung Ende des letzten Jahres begrüßt und positiv beurteilt.

Wang Chi-hsiung bezeichnete die Gründung des Freundeskreises als einen Eintritt in eine neue Phase des Austauschs mit Europa. Er betonte, daß die Republik China unbedingt noch vor der vollständigen Einrichtung des Gemeinsamen Europäischen Marktes alles versuchen sollte, die Grundlage für eine enge und fruchtbare Verbindung mit Europa zu legen. Um die Bedingungen in Deutschland abschätzen zu können, war Wang, wie schon erwähnt, am 12. Januar dieses Jahres selbst dorthin geflogen und traf mit Mitgliedern aus verschiedenen Regierungsorganen zusammen, mit denen er Gespräche über Verbesserungen der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Republik China, bei der Prozedur der Visumvergabe sowie über den Austausch von Flugrechten, den Aufbau von wirtschaftlicher Zusammenarbeit und die Einrichtung von Städtepartnerschaften führte. Er hätte auch erkannt, wie begrenzt das Wissen über Taiwan dort sei. Doch habe er festgestellt, daß es ein starkes deutsches Interesse an dessen Nationalem Sechsjahres-Entwicklungsplan gäbe. Nach seiner Rückkehr habe er sich sofort mit seinen Kollegen im Legislativ-Yüan in Verbindung gesetzt, um auf die Gründung eines parlamentarischen Freundeskreises hinzuarbeiten. Die Aufgabe der Vereinigung sei es nicht nur, der Regierung bei der Ausweitung ihrer Beziehungen mit Deutschland unterstützend zur Seite zu stehen, sondern auch die Erweiterung des Kontaktes zwischen privaten Gruppen aus den Bereichen Industrie, Landwirtschaft sowie Kultur und Wissenschaft voranzutreiben, somit substantielle Beziehungen schaffend.

Eugene Chien, der Verkehrsminister der Republik China, sah den Beitrag der Gruppe nicht nur im Fortschreiten der Freundschaft, sondern auch in der Hilfestellung für einheimische Firmen, die Interesse hätten, in Deutschland zu investieren. Er sprach auch die Hoffnung aus, daß bald die Einrichtung von Direktflügen zwischen der Republik China und Deutschland erfolgen würde.

Generalsekretär Lin Chih-chia bezeichnete die Gründung der Freundschaftsgruppe als einen Durchbruch. Ein Ziel der Gruppe müsse es sein, durch Kontakte zwischen Abgeordneten ein neues Bild von der Republik China in Deutschland aufzubauen. Besonders betonte er, daß die Gruppe nicht den herkömmlichen Restriktionen der Regierung unterworfen sei. Sie könne ihren Spielraum ausnützen, wenn auch keine diplomatischen Beziehungen einzurichten, so doch wenigstens pragmatische, um damit der Republik China in der internationalen Gemeinschaft ein erhöhtes Ansehen zu verleihen.

Klaus Bühler, der zwei Tage vor Gründung des Freundeskreises zusammen mit einer Gruppe von deutschen Telekommunikationsexperten aus Hongkong in die Republik China gekommen war, betonte in seiner Ansprache, daß gerade die innenpolitischen Fortschritte in der Republik China eine derartige Zusammenarbeit ermöglicht hätten, und überbrachte von Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth eine offizielle Einladung zum Besuch einer Delegation des Legislativ-Yüans in der Bundesrepublik. Im Zusammenhang verbesserter Beziehungen ist außerdem für Herbst eine Deutschlandreise von Wirtschaftsminister Vincent Siew vorgesehen.

Über die Entstehung und Zukunft der beiden parlamentarischen Freundeskreise sprach Klaus Bühler im Anschluß an den Empfang in einem Gespräch mit dem "Freien China".


"FC": Herr Bühler, Sie haben zuvor in Ihrer Ansprache an die Gäste gesagt, Sie finden, Taiwan hätte schon eine echte Demokratisierung erreicht. In welcher Hinsicht meinen Sie das?

Bühler: Ich war zum ersten Mal 1981 in Taiwan, und bin jetzt zum sechsten Mal hier. Ich habe die Entwicklung einmal im Land selbst beobachten können, und ich habe sie von außen sehr genau beobachten können. Aufgrund der freien Wahlen, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit sind hier Voraussetzungen geschaffen worden, die ohne weiteres die Bezeichnung "demokratische Situation" zulassen.


"FC": Konnten Sie bei den verschiedenen Besuchen Neues finden?

Bühler: Bei diesem Besuch muß ich daran denken, daß die Presse über Proteste gegen Atomkraftwerke schreibt. Ich glaube, das ist im Moment ein sehr wichtiges innenpolitisches Thema. Ich könnte mir vorstellen, vor elf Jahren wäre eine solche Presseberichterstattung über Demonstrationen gegen Atomenergie nicht möglich gewesen, falls die Regierung solche Dinge beschlossen hätte. Das ist einfach ein Indikator dafür, daß die öffentliche Meinung, die Presse, hier Möglichkeiten hat, wie sie in einer Demokratie eben selbstverständlich sind. Das ist für mich eine Bestätigung für diese Entwicklung. Wenn ich die letzten Wahlen ansehe und all die Leute spreche, die sich hier schon seit Jahren aufhalten, war es eine Wahl, die absolut demokratisch über die Bühne ging.


"FC": Sie haben auch in Ihrer Ansprache gesagt, daß Sie durch diesen Freundeskreis drei Ziele erreichen würden. Könnten Sie diese nochmal deutlich machen?

Bühler: Unsere Gruppe wurde ja schon vor drei Jahren gegründet, und wir haben neben vielen anderen drei Ziele zunächst einmal in Angriff genommen. Nämlich die Verbesserung der Visumerteilung, was uns auch gelungen ist, denn bisher war die Visumerteilung für einen Deutschen, der nach Taiwan wollte, relativ schwierig, weil wir nicht die Praxis hatten, wie sie hier im deutschen Wirtschaftsbüro für Besucher aus China möglich ist. Wir haben eine Verbesserung der protokollarischen Fragen bei Besuchen von Regierungsmitgliedern erreicht. Wir haben einen Staatssekretär aus der Bundesrepublik zu offiziellen Gesprächen hier gehabt, den Herrn von Würzen, und wir werden in wenigen Wochen einen offiziellen Besucher aus Taiwan empfangen, den Wirtschaftsminister, der entsprechend adäquate Gesprächspartner bis zur Staatssekretärsebene finden wird.

Und der dritte Punkt war die protokollarische Anhebung unserer Gruppe überhaupt, denn die Tatsache, daß ich heute hier sein und im Auftrag der Präsidentin des Deutschen Bundestages eine offizielle Einladung an eine Delegation Ihres Parlamentes aussprechen kann, wäre vor zwei, drei Jahren völlig undenkbar gewesen.


"FC": Wie kam es zu dieser Anhebung?

Bühler: Wir haben viele Versuche gemacht, im Außenministerium Gesprächspartner zu finden, und das war lange Zeit sehr schwierig. Der Durchbruch ist Ende letzten Jahres im Außenministerium gelungen. Vier Mal hat Genscher das Gespräch, welches schon angesetzt war, wieder abgesagt. Und als wir beim fünften Mal hinkamen und sahen, daß der Außenminister selbst, der Staatssekretär Kastrupp, der Leiter der Politischen Abteilung, der Leiter der Ostasien-Abteilung und der Leiter der China-Abteilung da waren, habe ich gewußt, heute fällt eine Entscheidung, die kann nur positiv sein, sonst wäre er selbst nicht da gewesen. Dann wurden diese drei Fragen angesprochen, und bei all diesen Fragen wurde gesagt, das Außenministerium sehe unterhalb einer bestimmten Linie, unterhalb der Linie der offiziellen Anerkennung, keine Bedenken und sei bereit, der Gruppe einen gewissen parlamentarischen Status zu verleihen. Das ist uns völlig klar, ersteres ist auch nicht unsere Zielsetzung, und ich habe es auch den chinesischen Freunden empfohlen, nicht diese Zielsetzung zu wählen, sondern den Freiraum auszunutzen, den es zwischen dem bisherigen Status und der offiziellen Anerkennung gibt. Es gibt da Beispiele, wie andere Länder das sehr flexibel gehandhabt haben, wenn ich an Frankreich, Holland, Belgien oder Spanien denke. Da ist jetzt eine Sinnesänderung im Außenministerium eingetreten, was auch der Bundestagspräsidentin ermöglichte, ihren Beschluß so zu fassen.


"FC": Apropos andere Länder, haben eigentlich Länder wie Frankreich oder Großbritannien solche parlamentarischen Freundschaftsgruppen?

Bühler: Also mir ist das nicht bekannt. Es gibt laut Gesprächen mit meinen chinesischen Partnern eine chinesisch-amerikanische Parlamentariergruppe, aber mit Europa oder mit einem europäischen Land scheint es die einzige zu sein.


"FC": Können Sie eine kurze Beschreibung geben, wie Sie sich die Zusammenarbeit zwischen dem Verband in der Republik China und dem in Deutschland vorstellen, also, wie das denn nun weitergehen soll?

Bühler: Ja, ich könnte mir vorstellen, daß wir Ziele angehen wie Studenten- oder Schüleraustausch bzw. Verbesserungen in diesem Bereich, denn wenn ich gerade an junge Menschen denke und hier Möglichkeiten habe, einen Austausch zu organisieren, dann ist das die beste Voraussetzung für alle anderen Kontakte. Es ist mit Sicherheit auch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen dadurch zu erwarten, wobei sich Taiwan auch noch als ein Schlüsselland bei der Erschließung von Festlandchina ansehe. Ich sage das in aller Offenheit, denn diese vielen joint-ventures zwischen hiesigen und kleineren sowie mittleren Unternehmen in Kuang-tung oder Shen-chen zeigen, daß hier eine Politik betrieben wird, die sich als außerordentlich gut erachte, nämlich mit einer wirtschaftlichen Offensive mehr oder weniger die kommunistische Ideologie von unten auszuheben.


"FC": Was meinen Sie, was hoffen die Menschen auf Taiwan, durch diesen Freundeskreis erreichen zu können? Hofft man, durch diesen Freundeskreis vielleicht eine politische Beziehung zu ermöglichen?

Bühler: Es bedeutet eine gewisse Anerkennung Taiwans demokratischer Entwicklung. Denn ich sehe dabei eine gewisse Anerkennung von Taiwans politischer Entwicklung in Hinsicht auf eine Demokratie, sonst wäre ein solcher Freundeskreis gar nicht möglich gewesen.

Es handelt sich nicht darum, normale diplomatische Beziehungen zwischen der Republik China auf Taiwan und der Bundesrepublik Deutschland anzustreben. Ich glaube, die Chinesen, ob sie in Peking oder in Taipei sitzen, sind sich einig, daß die Ein-China-These gilt, und soweit ich informiert bin, schnitt die Partei hier, die sich die Unabhängigkeit zum Ziel gesetzt hat, bei der letzten Wahl erheblich schlechter ab, als sie sich erhofft hatte. Das heißt, die große Mehrheit hat sich mit ihrer Wahl auch zur Ein-China-Politik bekannt. Und aus persönlicher Erfahrung ist mir klar, wenn ich mit einem Rot- oder einem Chinesen von hier spreche, dann bedeutet China ein Ganzes für beide. Die Frage der ideologischen Zuordnung ist dann ein anderes Problem. Deswegen ist diese Gruppierung, sowohl die hiesige als auch die unsrige, nicht angetreten, um hier diplomatische Anerkennung zu finden und damit die Ein-China-Politik der Chinesen ad absurdum zu führen, sondern um einfach die Beziehungen zwischen diesem Staatsgebilde hier, den Menschen hier und den Menschen bei uns zu verbessern.


"FC": Aus These Nr. 8, die Ortwin Lowack, Präsident der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft, in seinen "12 Thesen zur deutschen China-Politik" formulierte, bekommen wir den Eindruck, daß für Investitionen einheimischer Firmen beispielsweise im Osten Deutschlands keine oder nur eine ungenügende Rechtssicherheit gegeben ist. Wie sehen Sie das?

Bühler: Die Frage der Rechtssicherheit im Osten Deutschlands betrifft praktisch jeden Investor, ob aus Taiwan oder aus Hinterindien, aus Berlin oder aus dem Westen Deutschlands. Das ist die Frage der ungeklärten Eigentumsverhältnisse und der Altlasten. Das ist eine Schwierigkeit, die Taiwan speziell überhaupt nicht betrifft.


"FC": Wie sieht es mit einheimischen Investitionen im Westen Deutschlands aus?

Bühler: Also, wenn ich die Handelsbilanz zwischen unseren beiden Ländern nehme, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß Taiwan Schwierigkeiten hat, denn die Zahlen sehen so aus, daß die Republik China wesentlich mehr nach Deutschland liefert als umgekehrt. Der Punkt der Rechtssicherheit für Investoren von Taiwan ist nicht so wesentlich.


"FC": Waren sie dieses Mal auch auf dem Festland?

Bühler: Ich war schon auf dem Festland, aber dieses Mal nicht.


"FC": Haben Sie noch andere Abgeordnete mitgebracht?

Bühler: Ich habe diesmal keine weiteren Abgeordneten mitgebracht, denn der offizielle Gegenbesuch wird erst im nächsten Jahr stattfinden. Wir haben ja jetzt erst die chinesische Seite nach Deutschland eingeladen, und unser formeller Gegenbesuch wird dann erfolgen, nachdem die Chinesen schon da gewesen sind.


"FC": Sie sagten, eine der Verbesserungen war, daß in Zukunft zum Beispiel ein Regierungsbeamter bei einem Besuch im jeweils anderen Land von einem Vizeminister oder Staatssekretär empfangen werden kann. Sind das dann offizielle Kontakte?

Bühler: Ja, es sind offizielle Kontakte, die möglich werden unterhalb der Ebene der diplomatischen Anerkennung.


"FC": Peking kann dann im Grunde genommen nichts dazu sagen, d. h. hat keinerlei Veto- oder Beeinflussungsmöglichkeiten?

Bühler: Peking hat in der Vergangenheit immer wieder versucht zu protestieren, und mit dieser Situation müssen wir leben. Ich hatte vor kurzem ein Gespräch in der chinesischen Botschaft in Bonn auf Einladung des Leiters der Politischen Abteilung - der wußte, in welcher Funktion ich tätig bin - und habe ihm gesagt, für uns ändert sich an unserer China-Politik nichts. Wir vertreten die Ein-China-These, aber das hindert uns nicht, gleichzeitig unterhalb einer bestimmten Ebene unsere Beziehungen zu Taiwan zu verbessern, wie das andere europäische Länder längst getan haben.


"FC": Die Festlandchinesen haben ja immer Druck auszuüben versucht, also regelrecht Auflagen gemacht. Hat sich das ein wenig geändert? Sind sie ein bißchen zurückhaltender geworden, weil sie einfach merken, jeder ist an Taiwan interessiert, und der Protest nützt überhaupt nichts?

Bühler: Wenn ich mir vorstelle, wie stark der Umfang des inoffiziellen Handelsaustauschs zwischen dem Festland und Taiwan ist, könnte ich mir durchaus vorstellen, daß ein chinesischer Wirtschafts- oder Politfunktionär zwar auf der einen Seite die reine Lehre verkünden muß, sich aber auf der anderen Seite auch daran orientiert, wo Geschäfte, wo Verbindungen möglich sind, die ihnen auch nützen. Sie nehmen also eine pragmatischere Haltung ein.


"FC': Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen?

Bühler: Wenn die Zahl von 70 Milliarden US$ Handelsbilanz zwischen Taiwan und Festlandchina im letzten Jahr, die ich erfahren habe, stimmt, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß derjenige, der mit Taiwan zwar selbst inoffiziellen Handel betreibt, und zwar in sehr enger und sich steigernder Form, anderen Vorschriften machen kann, sie dürften mit Taiwan überhaupt keine Kontakte pflegen.


"FC': Sie haben darauf hingewiesen, daß alle drei Fraktionen an dem Freundeskreis beteiligt sind?

Bühler: Ich selbst bin Mitglied der CDU. Ich habe einen Stellvertreter der SPD, einen der FDP und einen der CSU. Und damit sind alle drei Fraktionen des Deutschen Bundestages eingeschlossen.


"FC': Wie haben Sie eigentlich so quer über die Fraktionsgrenzen zusammengefunden?

Bühler: Ich habe ja die Reise, bei der wir zum ersten Mal eine Gruppe hier gehabt haben, in der alle Fraktionen vertreten waren, vorbereitet und durchgeführt. Vorher war es meistens sehr kopflastig, da fast immer CDU/CSU-Abgeordnete gekommen waren. Ich habe damals gesagt, ich möchte eine Gruppe nach Taiwan zusammenstellen, in der alle Fraktionen vertreten sind. Und das war auch der Ausgangspunkt für die Gründung unserer Gruppierung.


"FC": Dann haben Sie die SPD und die FDP angesprochen?

Bühler: Dann haben wir alle Fraktionen eingeladen und angesprochen. Es war schon beeindruckend, wie viele da Interesse bekundet haben. Es sind im Augenblick etwas über 720 Mitglieder, und nach meinen Informationen ist es die zweitgrößte Gruppe nach der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe.


"FC": Wir haben gelesen, daß dieser Freundeskreis vom Deutschen Bundestag finanziell unterstützt wird. Von Taiwan wurden Sie nicht unterstützt?

Bühler: Ja, sonst wäre ich gar nicht hier. Ich bin diesmal auf Kosten des Deutschen Bundestages hierhergeflogen.

Hier habe ich einige Essen genossen, aber ich glaube, das hält sich im Rahmen. Die Finanzierung meiner Reise, auf der ich die offizielle Einladung überbringen konnte, wurde vom Deutschen Bundestag übernommen. Und ich glaube, das ist eine ganz wesentliche Änderung zu der Praxis, die wir jahrzehntelang gehabt haben.


"FC": Herr Bühler, vielen Dank für das Interview.

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